Diabetesfragen > Der Erklärbär - Ich will's wissen
Diabetes , Stress und Alkohol
Berti:
Hallo
wollte mal fragen wie eure DM auf Stress und Alkohol reagiert, bzw. wie sich das bei euch bemerkbar macht.
Von meiner Seite kann ich sagen das ich bei Stresssituationen einen Anstieg meiner BZ Werte feststelle, der sich aber trotzdem
immer noch im Rahmen hält, also im Zahlen gesagt bleibt es trotz Stress immer noch in einem überschaubaren Bereich weit unter 140.
Bei Alkohol den ich nur in Form von trockenen Rotweinen und mit sehr wenig Restsüße trinke ist es so, das meine Leber anscheinend sofort ihre Arbeit einstellt, denn ich habe trotz wenig Nahrung am nächsten Tag immer gleich 1 Kg mehr auf der Waage aber dafür einen bombastischen Zuckerwert der so zwischen 80 und 90 liegt, oder wie man auch sagt " den BZ schön gesoffen ".
Das mit dem Alkohol ist ja nur angesagt an Festtagen wie Geburtstage oder Weihnachten, sonst bin ich immer schön clean .
Aber der Test hat gezeigt, das selbst ein kleiner Schluck schon Auswirkungen hat , .... früher hätte man gesagt, der Schluck kommt nicht mal bis in den Magen so klein ist der. :freunde1:
Floh:
Stress lass ich mal außen vor: Ich erkenne bei mir keine Systematik. Kann schon sein, dass der Blutzucker steigen möchte (so sagt es ja die Theorie), aber in meiner Lebenswirklichkeit wird das dann typischerweise überlagert von Koffer schleppen, Autos anheben, Kindern und/oder Viechzeugs hinterherrennen ... was der BZ da macht ist mir dann normalerweise auch grad egal.
Aber Alkohol ist ein super Thema. Ich bin der Ansicht, dass viele der Anleitungen nicht stimmen. In meinen Schulungen habe ich immer gelernt "niemals nie nicht irgend welches Insulin zu Alkohol - das führt in der Nacht immer zum Unterzucker und Tod!!zwölf!12!!". Vielleicht nicht ganz so extrem ausformuliert.
Die Begründung war etwas schwammig: Solange Alkohol abgebaut wird, wird keine Glukose aus dem Leberspeicher abgegeben. Wenn die Basalrate jetzt deine Leberglukosefreisetzung so reguliert, dass du stabil durch die Nacht kommst (und das wäre ja schon irgendwie sinnvoll), dann ist sie bei Alkohol während der ganzen Nacht zu hoch.
Nur ... solche Getränke kenne ich nicht.
Also rein hypothetisch: klar .. wenn ich einen kohlenhydratfreien Alkohol finde, von dem ich genug trinken kann dass die Leber die ganze Nacht mit Abbau beschäftigt ist, dann ergibt das Sinn. Vodka zum Beispiel, oder vielleicht reinen Tequila (mit Salz, aber schon ohne Zitrone).
Bäh.
In meinem Cocktail ist Saft. Nicht wenig, weil die Bar ja sparen will. 180ml pro Cocktail? Das wären dann mal 2 BE aus Fruchtsaft.
In meinem Bier ist Bier. Das hat zwar wenig Alkohol (und die Menge, die ich trinken müsste dass die ganze Nacht abgebaut wird schaff ich nicht mehr), dafür aber jede Menge hervorragend wirksame Zucker. Dr. Teupe hat eine sehr schöne Anleitung zum Bier hier auf der 11ten Seite: http://www.chrostek.de/pdf/08_Essensinsulinierung_Teil2.pdf (wenn das Link nicht direkt geht ... die Anleitung zum Benutzernamen und Passwort stehen auf der Startseite).
In meinem Wein ist Restzucker. Weniger als im Bier, dafür aber immer noch messbar - selbst in der Geschmacksrichtung "fränkisch trocken". Dafür trinke ich Wein praktisch nie ohne irgend etwas zu Essen ...
... und wie schon oben angesprochen: meine Mahlzeitenverdauung dauert typischerweise länger als der Alkoholabbau. Dann ist es egal, ob meine Leber irgend etwas ausschüttet. Die vielen, vielen Essens-KH wirken dramatischer auf den Blutzucker als die paar Gramm aus der Leber.
Jetzt sagt die Teupesche Anleitung ich hab das alles falsch verstanden: Die Alkoholwirkung wäre eh erst 7 Stunden nach dem Alkoholgenuss und dafür 10 Stunden andauernd. Ich würde also eher am Tag danach mit niedrigen Blutzuckern kämpfen. Auch das kann ich bisher nicht bestätigen. Meine Tagesschwankungen überwiegen weit gegenüber irgend einem sichtbaren Alkoholeinfluss.
Ich nehme mir aber mal wieder fest vor im Urlaub konsistent und sauber täglich Alkohol zu trinken um herauszufinden, ob ein Einfluss sichtbar wird. Der Statistik wegen, selbstverständlich, nicht weil ich ein Trunkenbold bin.
Gyuri:
Die Gewichtung für die Reaktionen bei Stress und auch Alkohol dürfte in der Praxis stark vom Diabetestyp abhängen. :gruebeln:
Auf Dr. Teupe habe ich als Typ2 noch nie gehört sondern nur das gemacht, was mir mein Körper so erzählt. :trost:
So kann ich nur zuverlässig beantworten, was ich an mir feststellte.
Stress bewirkt bei mir bezüglich Blutzuckerspiegel überhaupt nichts messbares. Nach Stress kann bei mir "alles mögliche" passieren. Da spielen also mehrere Faktoren mit.
Alkohol (in konzentrierter Form) ist für mich seit den Medikamenten nach dem Herzinfarkt praktisch kein Thema mehr. Das hat aber aus meiner Sicht überhaupt nichts mit Diabetes zu tun.
Bei trockenem Wein "rechne" ich überhaupt nichts. Süßen Wein und Likör trinke ich sowieso nie.
Bei Bier zähle ich die angegebenen Kohlehydrate einfach mit denen im Essen zusammen. Normales Bier hat ca. 1,5 BE pro Halbe :prost: Bei alkoholfreiem Bier sind es in der Regel 2 BE. Die paar Prozent Alk. mögen für die Fahrtauglichkeit wichtig sein, auf den Zucker haben die bei mir keinen besonderen Einfluss.
Joerg Moeller:
--- Zitat von: Berti am Juli 01, 2018, 10:53 ---wollte mal fragen wie eure DM auf Stress und Alkohol reagiert, bzw. wie sich das bei euch bemerkbar macht.
--- Ende Zitat ---
Meiner verhält sich anders als Deiner, weil ich im Gegensatz zu Dir keine Restsekretion habe. Stress treibt ihn hoch (weil eine Nebenwirkung der Stresshormone die Ausschüttung von Glukose aus der Leber anstößt) und Alk würde ihn (passiv) senken, weil die Leber nach Priorität arbeitet und da kommt "Entgiften" vor "den Körper mit Basal-Glukose versorgen". Und da ich für diese Basalglukose mein Basalinsulin schon gespritzt/gepumpt habe steht dem dann weniger Glukose entgegen, als wofür es kalkuliert wurde.
Alk kann den BZ ja nicht aktiv senken, so wie es Insulin macht. Es beeinflusst aber die Leber, die dann ihre Glukoseausschüttung einstellt. Diese Leberglukose ist wichtig für Zellen, die ihre Energie ausschließlich aus Glukose beziehen. Das sind in der Hauptsache die roten Blutkörperchen und die Zellen des Nebennierenmarks. Das Gehirn versorgt sich auch vorwiegend über Glukose, weil die freien Fettsäuren (aus denen Muskeln und Organe Energie beziehen können) die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden können.
Allerdings kann das Gehirn in Mangelernährungszeiten auch umsteigen auf Energiegewinnung durch Ketonkörper (die in Fastenzeiten durch das Aufspalten von Speicherfett entstehen).
Diabetiker mit einer intensivierten Insulintherapie spritzen zweierlei Insulin: langwirkendes Basalinsulin, um den kontinuierlichen Zustrom aus der Leber zu kompensieren, und kurzwirkendes Bolusinsulin, um BZ-Spitzen durch Mahlzeiten abzudenken: https://www.diabetesinfo.de/fortgeschrittene/therapie/ict.html
Im Optimalfall halten sich da Leberglukose und Basalinsulin die Waage. Aber gespritztes Insulin wird auch dann wirken, wenn von der Leber nichts mehr kommt, weil die mit Entgiften beschäftigt ist.
Viele Grüße
Jörg
Joerg Moeller:
--- Zitat von: Floh am Juli 02, 2018, 09:41 ---In meinen Schulungen habe ich immer gelernt "niemals nie nicht irgend welches Insulin zu Alkohol - das führt in der Nacht immer zum Unterzucker und Tod!!zwölf!12!!". Vielleicht nicht ganz so extrem ausformuliert.
--- Ende Zitat ---
Hab ich schon erlebt, als ich noch in der ambulanten Pflege unterwegs war. Pat. war Alkoholiker, hat abends sein Kombi-Insulin bekommen (Basal und Bolus in einem Pen zusammen) und hat dann nicht gegessen. Dafür aber gesoffen und wurde vom Frühdienst tot vorgefunden. Obduktion ergab einen BZ um die 6 mg/dl.
Das Fiese dabei: in einem solchen Fall wäre auch Glukagon wirkungslos. Das kurbelt ja nur die Glukoseausschüttung der Leber an, aber die ist ja durch die Entgiftung blockiert. In dem Fall hilft nur Glukose i.v., wenn der Pat. selber nichts mehr schlucken kann, weil er bewußtlos ist.
Einem Bewußtlosen darf man NIE versuchen irgendwas einzuflößen. In dem Zustand ist der Schluckreflex ausgeschaltet und das Zeug landet in den Lunge. Und dann hat man richtig Probleme!
Auch dieses "Traubenzucker in die Wangentasche legen" ist völlig falsch. Wenn man etwas im Mund hat löst das den Speichelreflex aus und dann landet das Zeug auch in der Lunge.
Ein bewußtloser alkoholisierter Diabetiker ist ein Fall für die Feuerwehr: 112. Am besten direkt schon bei der Meldung erwähnen, dass es ein bewußtloser alkoholisierter Diabetiker ist, dann können die den NEF gleich mitschicken.
Viele Grüße
Jörg
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