orginal SCHM:
Ich hatte hier eine bestimmte experimentelle Situation im Sinn, wo ein Diabetiker unter basalen Bedingungen (nur Basisinsulin, kein Bolus) bei Ausgangswert in der Nähe von 100mg/dL den BZ gezielt mit 2 bis 3 BE Traubenzucker anzuheben und über einen Zeitraum von etwa 90-120 Minuten den BZ-Verlauf beobachtet....
Das ist ungenau formuliert. Als "ein Diabetiker" wird hier ein Type1 Diabetiker bezeichnet. Für einen T2 ist so etwas unmöglich zutreffend sofern noch Eigeninsulin produziert wird was per Definition ja als gegeben vorausgesetzt wird. Außerdem wird Art und Ausmaß einer Resistenz außer acht gelassen, die durchaus variabel sein kann.
Es wird aber sehr oft der Unterschied T1 vs T2 unterschlagen wie z. B. bei den IE/BE Faktoren, die sich für einen T2 (wenn überhaupt) nur sehr schlecht bestimmen lassen aber immer als Grundlage für die Insulin-Spritzpläne herangezogen werden. Deshalb mache ich immer auf die Unterschiede T1 vs T2 aufmerksam aber viele ignorieren es einfach (auch Ärzte, die es eigentlich wissen sollten) oder bezweifeln es sogar.
Das Experiment ist typischer Bestandteil einer Basis-Bolus-Therapie. Ein echtes Basis-Bolus-Konzept kommt tatsächlich wohl nur bei Typ I in Betracht. Bei T2 wird es wahrscheinlich nicht möglich sein, die basalen Bedingungen herzustellen, die Voraussetzung für einigermaßen aussagekräftige Ergebnisse wären.
orginal SCHM:
Der glykämische Index bezieht sich ja auf den Blutzuckerverlauf bei einem Nichtdiabetiker.....
Der glykämische Index bezieht sich auf alle Menschen bzw. auf gar keinen. Er beschreibt nur die Geschwindigleit der chemischen Verarbeitung der KH im Körper und kann individuell unterschiedlich sein.
Der glykämische Index ist definiert als Verhältnis der Flächen unter den Blutzuckerverlaufskurven des jeweils untersuchten Lebensmittels im Vergleich zu einer entsprechend großen Portion Traubenzucker (beide mit genau 50g verwertbare KH).
https://www.vis.bayern.de/ernaehrung//ernaehrung/ernaehrung_krankheit/glykaemischer_index_diabetes.htm schreibt dazu
„
In einem weitgehend standardisierten Test (6) wird der GI ermittelt.
In obigem Beispiel hat das Testlebensmittel (hier: Linsen) einen GI von 37 %. Das bedeutet, dass der Linsenverzehr gemessen am Blutzuckerverlauf zu einem niedrigen GI führt:

(…)
(6) Der GI wird konventionell bei stoffwechselgesunden Probanden aus den Flächen unter den je von 9 Werten (nüchtern und 15, 30, 45, 60, 75, 90, 105, 120 min nach dem Essen) der kapillaren P-Glukose dargestellten Kurven und deren Ausgangswerten ausgerechnet (Quelle: Diabetologie und Stoffwechsel, 2006)“
Der GI lässt allenfalls grobe Schlüsse zu auf die Geschwindigkeit, mit der der BZ nach dem Essen ansteigt, und auch nicht allein auf die Geschwindigkeit der chemischen Verarbeitung. Wenn man gewöhnlichen Haushaltszucker mit dem Löffel isst, hat er einen anderen GI, als wenn man ihn in Wasser einrührt und trinkt. Die biochemische Verarbeitung ändert sich dadurch aber nicht, er kommt nur schneller im Blut an.
Für Typ II ist es sicherlich wichtig, sich am glykämischen Index zu orientieren
Für Typ I finde ich den GI wenig hilfreich. Weder Glykämischer Index noch glykämische Last liefern eine gute Grundlage für die richtige Dosierung des Bolus-Insulins. Der Blutzuckerverlauf wird ja nicht allein durch die jeweilige Mahlzeit, sondern ganz wesentlich durch das Insulinregime bestimmt. Ich kann das Insulin auch so dosieren, dass es überhaupt keinen Blutzuckeranstieg nach dem Essen gibt, egal was ich esse.
orginal SCHM: Die Frage ist natürlich absolut berechtigt, wird aber durch das Modell von Puckett und Lightfoot überhaupt nicht beantwortet. Streng genommen wird mit dem Modell auch gar nicht postuliert, dass sich das Insulin im ZZW gleichmäßig verteilt, sondern es wird einfach mit der Gesamtmenge Insulin im ZZW gerechnet, von der ein bestimmter Anteil pro Minute (auf welchem Weg auch immer) ins Blut abfließt.
Wenn diese Fragestellung nicht beantwortet ist, dann sind alle weiteren Schlußfolgerungen (betreffs Meßgenauiigkeit der FS Libre Sensoren) nichts anderes als nicht bewiesene Hypothesen.
Da gebe ich dir völlig Recht. Im Moment kann ich nicht mehr tun, als unbewiesene Hypothesen aufzustellen. Für einen Beweis dieser Hypothesen fehlen mir die geeigneten Mittel.
Das kann keine Grundlage für eine wissenschaftliche Untersuchung sein.
Und genau in dem Punkt gebe ich dir eben
nicht Recht. Hypothesen sind
immer der Ausgangspunkt für wissenschaftliche Untersuchungen. Und ich halte meine Hypothese für fundiert genug, um Ausgangspunkt für vertiefte wissenschaftliche Forschung sein zu können.
Wenn nur mit der Gesamtmenge des ZZW-Insulins gerechnet wird (Spritzstelle und mehr oder weniger örtlich begrenzter Bereich) und mit einem Sensor in einem Bereich gemessen wird wo kein Molekül dieses Insulins vorkommt stimmt irgendwas mit den Überlegungen nicht. Allerdings steht es mir nicht zu, die Arbeiten von Puckett und Lightfoot zu kritisieren. Meine Bedenken und Schlußfolgerungen gelten nur für mich.
Es ist eben nur ein Modell der Wirklichkeit. Ein solches Modell kann immer nur Teilaspekte gut erklären, aber niemals die Wirklichkeit in ihrer gesamten Komplexität abbilden.
Das Problem ist aus meiner Sicht, dass bisher ein viel primitiveres Modell favorisiert wird, bei dem der Unterschied zwischen Glukosekonzentration im ZZW und im Blut ausschließlich durch Hin- und Herströmen der Glukose zwischen Blut und ZZW erklärt wird.
Das führt zu stark idealisierten Darstellungen wie dieser (aus: Spectrum für Erwachsene mit Typ I Diabetes, Kirchheim-Verlag):

Dieser Darstellung liegen aber eben
keine realen Daten zugrunde.
Echte Datenverläufe sehen anders aus und zeigen (zumindest bei mir) systematische Abweichungen, die weder durch das Hin- und Herströmen von Glukose zwischen Blut und ZZW, noch durch technische Fehler des Gerätes erklärbar sind.
Es wäre also Aufgabe der Wissenschaft, das Modell so zu erweitern, dass die Abweichungen vom bisherigen Modell bis auf einen statistischen Fehler, den die Messmethode auf jeden Fall hat, erklärbar werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das möglich ist, wenn man das Modell erweitert und auch die Auswirkungen des Insulins im ZZW berücksichtigt. Wie die Erweiterung genau aussehen müsste, weiß ich nicht. Die Gesamtmenge Insulin im ZZW einfach durch das Volumen des ZZW zu teilen, wird wahrscheinlich nicht zu einer auch quantitativ guten Erklärung führen, obwohl das zumindest qualitativ in die richtige Richtung gehen würde.
Ich würde das wirklich gerne mal mit Fachleuten aus der Wissenschaft diskutieren. Aber es gibt nur sehr wenige, die sich ausführlich mit so etwas beschäftigen und eine geeignete Modellierung finden könnten.