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Diabetesfragen => Diabetes und Sport => Thema gestartet von: Llarian am Juli 01, 2013, 20:20

Titel: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Llarian am Juli 01, 2013, 20:20
Hallo zusammen,

die Vorgeschichte: ich habe seit 35 Jahren Typ1, war eigentlich immer ein Sportmuffel, vor etwa 15 Jahren fingen Kreislaufprobleme an (extrem niedriger Blutdruck, fehlende Kreislaufregulation beim Stehen bzw. Aufstehen aus dem Sitzen... was mich auch noch weiter vom Sport abgehalten hat. Der Kreislauf hat sich die letzten Jahre deutlich stabilisiert, seit einigen Monaten bin ich mit meinem Freund am WE Fahrradfahren.
Das ist zum einen bz-technisch interessant, aber nicht der Grund für das Posting.
Was mich interessieren würde sind Eure Erfahrungen, wie die Muskulatur auf unterschiedliche BZ-Niveaus reagiert. Ich bin (nicht nur absichtlich  :-\ ) mit recht unterschiedlichen Werten gestartet... alles über 180mg/dl empfinde ich als Qual für die Muskulatur... es geht nichts, die Beine schmerzen. Bei Werten unter 150, egal, ob von Anfang an oder wenn der BZ von einem höheren Niveau dorthin sinkt, läuft es großartig, ich bin energiegeladen, völlig andere Welten.

Was passiert da im Muskel auf biochemisch/physiologischer Ebene? Was verändert sich bei höheren Werten (die vermutlich auch mit einem basalen Insulinmangel einhergehen)?

vG
Anja
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Oggy am Juli 01, 2013, 20:28
Hallo
Ganz kurz: Werte über 170mg/dl schlagen bei mir schlagartig auf de Kondition - ich werde schneller müde - da ich immer alles per pedes mache achte ich diesbezüglich immer auf Werte zwischen 100 - 150mg/dl - Schmerzen kann ich nicht verzeichnen :D
Hoffe geholft zu haben :D
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Hobbit am Juli 01, 2013, 20:31
konträre Beobachtung: Wenn ich im Verein Fußball spiele, sind Werte über 200 bei mir keine Seltenheit (Stresssituation während eines Spiels). Ich meine aber nicht, dass sich das bei mir in irgend einer Weise auf die Leistungsfähigkeit auswirkt.
was nun? :) :) :)
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Floh am Juli 01, 2013, 20:33
Hallo.

Mein persönliches Optimum ist offenbar um die 90-100. Da fühle ich mich am wohlsten und habe auch am meisten Kraft. Ich merke aber höhere Blutzucker nur bei Insulinmangel als unangenehm (ergibt das einen Sinn? Ich versuche ein Beispiel: Wenn ich eine normale Essensdosis gespritzt und einen funktionierenden Basalspiegel habe, dann aber im Eifer der Vorbereitung zu viel Esse und so auf einen Wert von 450mg/dl komme, merke ich davon am Wohlbefinden nichts). Wahrscheinlich bin ich langsamer - habe das aber noch nicht mit Absicht getestet.

Ich meine bei Werten um die 200 langsamer zu werden - kann das aber nicht ernsthaft bestätigen.

Unter 60 werde ich deutlich langsamer (klar) - das ist auch ein relativ guter Hinweis, aber leider etwas spät dran.
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Llarian am Juli 01, 2013, 20:46
konträre Beobachtung: Wenn ich im Verein Fußball spiele, sind Werte über 200 bei mir keine Seltenheit (Stresssituation während eines Spiels). Ich meine aber nicht, dass sich das bei mir in irgend einer Weise auf die Leistungsfähigkeit auswirkt.
was nun? :) :) :)
Fußball hat aber auch kurze Maximalsprints... also Phasen mit hoher Pulsfrequenz... da steigt der BZ. Für mich kein Widerspruch ;)

vG
Anja
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Llarian am Juli 01, 2013, 20:51
Ich merke aber höhere Blutzucker nur bei Insulinmangel als unangenehm (ergibt das einen Sinn?
Meine höheren Werte sind ein sekundärer basaler Mangel gewesen... am Insulin klebt kein Fähnchen "basal" oder "Bolus". Es wird das gerade verfügbare Insulin genommen. Und wenn gerade nicht genug Bolus verfügbar ist, eben auch das aus der Basalrate bzw bei ICT das Basalinsulin. Wodurch dann weniger vom basalen Insulin zur Regulierung des Leberzuckers und der Lipolyse bereitsteht.

vG
Anja
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Joa am Juli 01, 2013, 22:54
Meine höheren Werte sind ein sekundärer basaler Mangel gewesen... am Insulin klebt kein Fähnchen "basal" oder "Bolus". Es wird das gerade verfügbare Insulin genommen. Und wenn gerade nicht genug Bolus verfügbar ist, eben auch das aus der Basalrate bzw bei ICT das Basalinsulin. Wodurch dann weniger vom basalen Insulin zur Regulierung des Leberzuckers und der Lipolyse bereitsteht.

Ich hätte jetzt erstmal gedacht, dass die Utilisation des Insulins durch Insulinrezeptoren alleine eine Verhältnisfrage höherer oder niedrigerer Konzentrationen ist?

Das die Fett- und Leberzellen weniger Insulin bekommen, sollen wenn mehr gegessen als gebolt wurde, erschließt sich mir erst mal gar nicht.

Wobei allerdings auch für mich letztlich mehr Fragen offen als beantwortet sind, was so das Entstehen von Resistenzen angeht.

Gruß
Joa
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Llarian am Juli 02, 2013, 07:30
Wobei allerdings auch für mich letztlich mehr Fragen offen als beantwortet sind, was so das Entstehen von Resistenzen angeht.
Auch ein interessantes Thema... im April im Funkloch wurde an mir die posthypoglykämische Resistenz vorgerechnet.
Es gibt:
- Fettsäureresistenz
- ketoazidotische Resistenz
- Cortisonresistenz
- posthypoglyk. Resistenz
- hormonelle bei Diabetikerinnen
- sportbedingte (z.B. bei 10 Sekunden Maximalsprint)
- Downregulation

Einige kann man durch ein wohldosiertes mehr an Insulin durchbrechen. Einige kann man nur aussitzen, die sportbedingte will mancher (ein begeisterter Jogger bei uns im Kurs wollte das unbedingt ausprobieren, damit er nicht immer so Unmengen an Traubenzucker unterwegs braucht).
Warum nun aber gerade der Verlust der alpha-Zellen die posthypoglykämische verursacht, und wie man diesen verdammten Mist verhindern kann, wenn die Hypo einmal da ist, weiß ich leider nicht.

vG
Anja
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Joa am Juli 02, 2013, 18:39
Auch ein interessantes Thema... im April im Funkloch wurde an mir die posthypoglykämische Resistenz vorgerechnet.
Es gibt:
...
... und noch so ein paar hormonelle dazu.
Bei denen würde mich halt mal die genauere Wirkungskette interessieren und, wieweit sich anhand gewisser unterschiedlicher Charakteristika, eine gewisse Zuordnung treffen lässt. Z.B. ob es noch eine Unterinsulinierung für's WH war, oder ob es für das Cortisol gemangelt hat.

Das ist aber wohl etwas illusorisch gehofft. ...  :-\

Zitat
- sportbedingte (z.B. bei 10 Sekunden Maximalsprint)

Den 10 Sekunden-Sprint finde ich echt ein Bisschen überstrapaziert.  ;)
Ich habe im Funkloch zum Thema eine etwas abweichende Meinung vertreten.
Raus kam dann, für mich, dass der dortige Funker meint, nachhaltige Resistenzen im Zusammenhang von zu wenig Insulin und Lactatbildung, wären durch WH bedingt.

Zitat
Warum nun aber gerade der Verlust der alpha-Zellen die posthypoglykämische verursacht, und wie man diesen verdammten Mist verhindern kann, wenn die Hypo einmal da ist, weiß ich leider nicht.

Teil 1 der Fragestellung würde ich mir einfach damit erklären, dass bei fehlendem Glucagon eine Umkonditionierung greift, die die Taskforce-Hormone mit der schweren Artillerie gleich in der vordersten Frontreihe aufstellt, wo sie dann alles niedermähen, was nicht niet- und nagelfest ist.
Klar, die schnelle Reaktion auf den Blutzucker machen Glucagon, Adrenalin und so. WH, Cortisol, Endorphine brauchen eine Weile. Deswegen müssen sie wohl sehr übermäßig freigesetzt werden, damit sie doch noch relativ schnell was ausrichten, was sie aber dann oft doch noch immer nicht schnell genug hinbekommen.

Du kennst den sympathischen Notarzt, der so nett lächelt wenn er fragt, ob Du ihn hören kannst?

Hmmm, der zweite Teil der Frage, was Du gegen die Resistenz machen kannst, kann logisch wohl nur mit: Insulin zuführen und zwar schnell, beantwortet werden?
Also sobald Du die Hypo bemerkst Glucose und parallel reichlich Insulin. Hormonresistenzen lassen sich wohl nur vermeiden, wenn das Insulin rechtzeitig mit dem Auftreten der Hormone verfügbar ist.

Gruß
Joa
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Llarian am Juli 02, 2013, 19:48
Du kennst den sympathischen Notarzt, der so nett lächelt wenn er fragt, ob Du ihn hören kannst?
"wissen Sie, wo Sie sind?"
"welchen Tag haben wir heute?"

"wo ist denn der Haushaltszucker in Ihrer Küche?"

Zitat
Hmmm, der zweite Teil der Frage, was Du gegen die Resistenz machen kannst, kann logisch wohl nur mit: Insulin zuführen und zwar schnell, beantwortet werden?
Also sobald Du die Hypo bemerkst Glucose und parallel reichlich Insulin. Hormonresistenzen lassen sich wohl nur vermeiden, wenn das Insulin rechtzeitig mit dem Auftreten der Hormone verfügbar ist.
Da haben aber schon einige Male, wenn die Hypo wegen ihrer Dynamik recht spät bemerkt wurde, bei mir die Hypo-BEs ausgereicht, alles zu verhauen.
Und vor allem hat die Sache mit dem VielHilftViel dann einen Haken, wenn man sich bei der Power der Hypo verschätzt und ohnehin zu schwereren Hypos neigt.

vG
Anja
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Joa am Juli 02, 2013, 21:48
Da haben aber schon einige Male, wenn die Hypo wegen ihrer Dynamik recht spät bemerkt wurde, bei mir die Hypo-BEs ausgereicht, alles zu verhauen.
Grundsätzlich hab ich schon befürchtet, dass der logische Lösungsweggedanke seine Haken und Ösen aufweist.
Ina hat, wenn ich richtig erinnere, auch schon berichtet, dass alleine etwas länger niedrige Werte reichen können, um eine phIR zu verursachen.   >:(
Zitat
Und vor allem hat die Sache mit dem VielHilftViel dann einen Haken, wenn man sich bei der Power der Hypo verschätzt und ohnehin zu schwereren Hypos neigt.
Es wird wohl noch ein Bisschen dauern, bis es ein Regelwerk gibt, das eine Berechnung von "Wieviel" leistet. :kratz:

Gruß
Joa
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Joerg Moeller am Juli 03, 2013, 11:34
Was mir nicht so ganz klar ist: wodurch soll denn diese posthypoglykämische Resistenz ausgelöst werden bei einem langjährigen Diabetiker?

Viele Grüße,
Jörg
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Joa am Juli 03, 2013, 17:59
... wodurch soll denn diese posthypoglykämische Resistenz ausgelöst werden...?

Durch Level 6.

"HIERARCHIE der Hypoglykämie - Gegenregulation ("Counterregulation")

Level 3: Steigerung der Glucagon-Sensitivität
Level 4:  Stimulation der Glucagon - Sekretion
Level 5:  Stimulation des autonomen Nervensystems
(Adrenalin-Sekretion)
Level 6:  Potenzierung der Gegenregulation
durch Cortisol, Wachstumshormon, Endorphine"
Siehe Starke/Saddig auf insulinoma.net (http://www.insulinoma.net/mainpage/subpage/physiol_counter.htm#counter)

Ist dann wohl insbesondere eine dem WH zuzuschreibende, ausgeprägte Resistenz.

Gruß
Joa

Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Adrian am Juli 03, 2013, 19:18
Bei mir ist es so, dass kurzfristige hohe Werte zu mehr Leistungsfähigkeit beim Sport führen. (Vielleicht auch weil ich mich sicherer fühle).

Längerfristig hohe Werte führen bei mir zur dehydrierung, das macht mich weniger leistungsfähig.
Wenn die Ursache der hohen Werte eine Resistenz ist, geht es mir auch schlechter.
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Llarian am Juli 03, 2013, 21:50
Was mir nicht so ganz klar ist: wodurch soll denn diese posthypoglykämische Resistenz ausgelöst werden bei einem langjährigen Diabetiker?
Das entscheidende ist nicht primär die Langjährigkeit, sondern Verlust/Reduktion der Funktionalität der alpha-Zellen.
Teupe zieht einen eindeutigen Zusammenhang... wer zu schweren Unterzuckerungen mit Bewußtlosigkeit neigt, hat auch mit phIRs ein Problem. Dabei gibt es auch eindeutig die zeitliche Komponente... tief genug gesunkene Werte von einer halben Stunde reichen aus, eine i.a. über 9h andauernde phIR auszulösen. Anders als bei Cortison- oder Fettsäureresistenz scheint die basale Versorgung noch halbwegs zu funktionieren, richtig zuschlagen tut sie bei Mahlzeiten --> pp-Explosion. Der BZ steigt trotz (eigentlich) passender Insulinierung stärker an als ob man das Essen komplett gar nicht insuliniert hätte.
Für die meisten DMs gilt außerdem: wer 20 Jahre keine schwere Hypo mit Bewußtlosigkeit hattem, bekommt sie auch nicht mehr. Ausnahmen gibt es, aber wohl recht selten.

vG
Anja
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Llarian am Juli 03, 2013, 21:52
Bei mir ist es so, dass kurzfristige hohe Werte zu mehr Leistungsfähigkeit beim Sport führen. (Vielleicht auch weil ich mich sicherer fühle).

Längerfristig hohe Werte führen bei mir zur dehydrierung, das macht mich weniger leistungsfähig.
Wenn die Ursache der hohen Werte eine Resistenz ist, geht es mir auch schlechter.
Kurzfristig hohe Werte ohne Basalmangel bedeuten aber auch mehr an Energie im Muskel, die durch das vorhandene Insulin auch an die verbrauchende Zelle gelangen kann.

vG
Anja
Titel: Re: BZ-Niveau <-> Muskulatur
Beitrag von: Joa am Juli 03, 2013, 22:24
Kurzfristig hohe Werte ohne Basalmangel bedeuten aber auch ...
Vielleicht noch mal kurz die Rückkopplung, dass die als genereller Sachverhalt verstehbare Eingangsfrage unterdessen damit aufgelöst worden ist, dass im bezogenen Fall ein irgendwie gearteter Basalmangel vorlag.

Somit klar, dass körperliche Arbeit dann nicht mehr ausreichend auf vorhandene KH als Energiequelle zurückgreifen kann und beim untrainierten Menschen gibt es dann auch keine Kompensation durch erhöhte Fettsäurenverbrennung, weil die Anzahl der Mitochondrien nicht sonderliche hoch ist.

Gruß
Joa